Julia Kaffka [00: 00:10]:
Julia Kaffka [00: Auch von mir ein herzliches Willkommen zum Gesundheitspodcast der BKK ZF & Partner. Mein Name ist Julia Kafka und wir haben heute einen ganz besonderen Gast. Reinhard Horskotte. Hallo Reinhard.
Reinhard Horstkotte [00: 00:22]:
Reinhard Horstkotte [00: Hallo.
Julia Kaffka [00: 00:23]:
Julia Kaffka [00: Reinhard, du bist Mitgründer des Vereins Rote Nasen und künstlerischer Leiter. Neben deiner Akrobatik- und Clown-Ausbildung bist du zertifizierter Klinik-Clown und unterstützt die BKK ZF & Partner dabei Humor in Pflegeeinrichtungen zu bringen. Reinhard, was kann man sich denn darunter vorstellen? Hüpfst du da auf einem Bein nur rum, Erzählst du Witze? Wie muss man sich das vorstellen?
Reinhard Horstkotte [00: 00:49]:
Reinhard Horstkotte [00: Ich hüpfe auch manchmal auf einem Bein rum und das passiert schon. Witze erzähle ich eigentlich fast gar keine. Also ich glaube auch nicht, dass ein Clown erzählt keine Witze. Ein Clown ist eigentlich der Witz. Also Kabarettisten sagen lustige Sachen und Clowns sind lustig. Das ist der Unterschied zwischen diesen beiden Figuren. Das heißt, manchmal wurde ich dann mal so, wenn ich als Clown von Kindern gefragt habe, erzähl mal einen Witz. Und dann wusste ich keinen.
Reinhard Horstkotte [00: 01:19]:
Reinhard Horstkotte [00: Und dann haben sie gelacht, weil ich keinen wusste und das war dann lustig. Aber ich habe aber keinen Witz gehabt.
Julia Kaffka [00: 01:25]:
Julia Kaffka [00: Es ist auch sehr lustig, wenn ein Clown keinen Witz hat.
Reinhard Horstkotte [00: 01:28]:
Reinhard Horstkotte [00: Ich habe keinen Witz, also ich weiß jetzt nicht was. Also ich kenne schon so ein paar... Ja klar kenne ich Witze, aber das ist nicht so... Ich bin jetzt nicht so... Ah, der Clown, der muss ja ein Witzprofi sein, der muss ja nur... Und obwohl ich als kleiner Junge, da habe ich jetzt entdeckt, das große Buch der Witze, da stehen 1000 Witze drin, Die sind alle grottenschlecht. Also das habe ich in den 80er Jahren. Die sind alles so diese Häschenwitze, Hadumören, Mutu Kaufen.
Reinhard Horstkotte [00: 01:54]:
Reinhard Horstkotte [00: Weiß ich nicht, ob du die kennst. Du bist ja... Doch. Ja? Kennst du auch? Ja. Also Altünnes und Schäl und alles so schlechte Witze. Und trotzdem, das habe ich noch zu Hause. Das habe ich mir gekauft. Aber ich habe die nicht auswendig gelernt.
Reinhard Horstkotte [00: 02:07]:
Reinhard Horstkotte [00: Es gibt aber gute Witze durchaus, aber Clowns sind lustig, glaube ich. Die sind einfach lustig und deswegen passen sie auch so gut in diese, also sie passen eigentlich gar nicht in die Welt, aber die Welt braucht sie so sehr, weil es nicht so sehr ums Tun, ums Machen, sondern mehr eine Sein-Qualität geht.
Julia Kaffka [00: 02:28]:
Julia Kaffka [00: Das heißt, wir können es ja jetzt nicht sehen, wir sind ja an einem Podcast, Wie muss ich mir das denn optisch vorstellen? Also wirklich mit der roten Nase und der Perücke?
Reinhard Horstkotte [00: 02:36]:
Reinhard Horstkotte [00: In der Perücke nicht. Also es ist... Die Clownfigur ist ja eine ganz anspruchsvolle Sache für uns. Also es ist eine Suche nach dem Teil von mir, der unschuldig ist, der lebendig ist, der im Moment ist, der unwissend ist, der sich in die Unwissenheit und die Unsicherheit hineinbegibt. Und das erfordert auch eine persönliche Forschung. Das heißt, ich muss auch gucken, wo habe ich denn Unzulänglichkeiten? Also zum Beispiel, ganz, ganz platt, ich habe vor 20 Jahren, habe ich so eine Nummer gehabt mit einem Kollegen zusammen. Da sind wir als Sprinter zusammen, als 100-Meter-Läufer, haben wir einen Slow-Motion-Wettlauf gehabt. Da haben wir auch Preise mitgewonnen.
Reinhard Horstkotte [00: 03:27]:
Reinhard Horstkotte [00: Und wir haben dann zusammen, also so ganz in Slow-Motion sind wir gelaufen, haben dann gegenseitig den anderen geschubst während des Laufes und gefault und so weiter. Und bevor wir diesen Lauf gemacht hatten, hatten wir Anzüge an. Und dann haben wir bei dieser Party uns langsam, so ein bisschen wie so eine Striptease-Parodie, die Anzüge ausgezogen bis auf die Rennhose eben und das Shirt, also was man eben als 100 Meter Läufer anhat. Und als wir dann die Hose runtergelassen haben, hatten wir beide wahnsinnig drahtdünne Beine. Ja? Und dann haben die Leute alle gelacht. Und das zeigt, das ist lustig, was eigentlich wirklich ganz natürlich an mir liegt, was ich aber vielleicht gar nicht so angenehm finde selber. Also die Leute lachen über die dünnen Beine, weil das überraschend ist, weil das komisch ist. Und so ist dann die Suche danach.
Reinhard Horstkotte [00: 04:22]:
Reinhard Horstkotte [00: Und wenn wir jetzt von einem Kostüm sprechen, so fragen wir uns dann, was macht ihn, wenn der besonders klein ist? Trägt er vielleicht eine extra kleine Jacke, die ihn noch kleiner macht, oder trägt er etwas Langes, was ihn viel größer darstellen lässt? Und wir sagen also, die Frage zu beantworten mit Perücke und roter Nase, ja, wir tragen eine rote Nase. Und das ist die kleinste Maske, die es gibt. Das ist eben ganz wichtig. Die rote Nase ist eine Maske und die Maske hat immer etwas Magisches. Also sobald man eine Maske aufsetzt, spielt man einen Teil von sich, der sonst nicht so offenbar ist. Und wenn wir uns kostümieren, das heißt, wenn wir uns eine Perücke aufziehen sollten, was selten vorkommt, dann soll es nicht sein, dass wir uns verkleiden oder dass wir uns verstecken, sondern es soll etwas von unserer Seite offenbaren, noch stärker sein, unterstreichen, wie mit so einem Marker in einem Text. Das soll das machen. Also etwas, was innerlich...
Reinhard Horstkotte [00: 05:22]:
Reinhard Horstkotte [00: Also das wird nämlich... Zu Karneval verkleiden sich die Leute und wollen sich ganz verstecken hinter ihrem Kostüm. Wir Clowns wollen das, was in uns steckt, eine bestimmte Seite hervorholen. Darum geht es beim Klauen.
Julia Kaffka [00: 05:37]:
Julia Kaffka [00: Okay und das ist wahrscheinlich auch dieses Tollpatschige, was man kennt. Genau. Von der Art her.
Reinhard Horstkotte [00: 05:43]:
Reinhard Horstkotte [00: Ja zum Beispiel das Tollpatschige oder auch das ganz zarte oder das neugierige und wie kann ich das sagen, also zum Beispiel, ich habe eine Geschichte, wo wir zusammen in ein Zimmer kamen von einem Herrn, der war sehr dement und saß ganz ruhig immer an seinem Tisch. Und dann sind wir in das Zimmer gekommen und haben gedacht, okay, wir machen eine Steppnummer und waren so ganz aufgeregt und hyperaktiv. Also allein das ist schon tollpatschig, wenn man in so ein Zimmer kommt, wo einer kaum sich bewegt und ganz stoisch am Tisch sitzt und dann hast du so zwei verrückte Leute, die dann mit so einer Steppnummer da reinkommen. Total aufgezogen. Also du lachst jetzt, genau. Weil du hast das Bild vor dir. Und dann haben wir angefangen zu steppen und dann haben wir geguckt und haben gesehen, der hat so kaum reagiert, aber das war normal, weil der reagierte kaum, das wussten wir von den Pflegerinnen und Pflegern, aber irgendwann haben wir dann gesteppt und hatten einen riesen Spaß dran am Steppen und er hat so geguckt und hat nochmal geguckt und dann hat er so seine Lippen bewegt. Und dann sind wir so...
Reinhard Horstkotte [00: 06:52]:
Reinhard Horstkotte [00: Und dann mussten wir irgendwas wieder sagen und das war was ganz Besonderes, weil der hat eigentlich überhaupt nicht mehr gesprochen. Auch nicht mit den Pflegern, auch nicht mit seinen Angehörigen. Hat nichts mehr gesagt und warum auch immer. Vielleicht hat er genug geredet im Leben, ich weiß es nicht. Vielleicht war er auch einfach kognitiv so eingeschränkt. Und wir sind dann aber ganz nah mit dem Ohr an seinen Mund gegangen und wollten wissen, was sagt der? Was sagen Sie da? Und dann hat er so ganz leise, fast schon nuschelnd, hat er gesagt, Schuhplattler, Schuhplattler. Und dann hat er unseren Stepptanz als Schuhplattler assoziiert. Und dann ist er mit uns aufgestanden und hat dann Schuhplattler gemacht mit uns.
Reinhard Horstkotte [00: 07:32]:
Reinhard Horstkotte [00: Auf seine Weise natürlich sehr langsam. Aber das war eine Riesensache, weil es war ein Riesenerfolg für uns, weil er einfach in so eine Bewegung gekommen ist und auch eine Freude gekommen ist, die er sonst nie hatte. Und das, also was ich sagen will, es geht gar nicht so sehr darum, immer bewusst tollpatschig zu sein als Clown. Also immer so, klar, das gehört dazu, man rennt gegen Türen und man fällt vom Stuhl, man verheddert sich irgendwo. Aber nicht so unbedingt immer ständig in der Beziehung zu anderen. Es muss schon in die Geschichte, die ich mit dir habe, mit meinem Gegenüber habe, reinpassen. Und das ist das Besondere, glaube ich, daran, wenn wir in Pflegeheime gehen oder in Kinderstationen gehen, dass wir uns da erst mal verbinden mit dem Kind und dann die ganze Trickkiste rausholen.
Julia Kaffka [00: 08:24]:
Julia Kaffka [00: Ja, die Geschichte, die du gerade erzählt hast, ist schon auch bewegend. Ich glaube, das sind ja Momente, die hängen bleiben, nehme ich an, in diesem Beruf. Also wie fühlt sich das denn an, wenn man merkt, wow, hier habe ich gerade wirklich einen Impact?
Reinhard Horstkotte [00: 08:39]:
Reinhard Horstkotte [00: Toll, also das ist schön. Man ist ja immer sozusagen ein bisschen eine schizophrene Persönlichkeit, wenn man da ist. Also ich hab einmal, bin ich der Reinhardt, der dann natürlich, und dann bin ich der Philou, der Clown. Und natürlich schaut der Reinhardt immer zu und guckt was und checkt ab, was, was ist hier los, was kann ich machen, wie weit kann ich gehen. Und der Reinhardt ist dann vielleicht stolz, dass er irgendwie bei der Person, bei diesem Herrn da erreichen konnte, dass er jetzt anfängt mit uns Schublattler zu tanzen. Aber für den Philou ist das auch okay, wenn der Mann sitzen bleibt. Also das ist auch in Ordnung. Wenn der gar nichts macht und wenn der nur guckt.
Reinhard Horstkotte [00: 09:16]:
Reinhard Horstkotte [00: Und dann hat er Spaß gehabt am Stepptanzen und es wird ihm nicht, es ist nicht, er wertet nicht. Und das ist eben das Besondere an der Clownfigur. Es ist nicht so, dass er so abhängig ist von Erfolg oder Misserfolg oder unserer Sicht, die du und ich haben, was das jetzt bedeutet, von was du sagtest, glaube ich, Impact. Also das interessiert diese Figur gar nicht. Und das ist eben so wichtig heutzutage. Also weil wir sind immer, sogar jetzt sind wir, oder auch ich als künstlerischer Leiter, bin natürlich interessiert daran, dass unsere Arbeit eine Wirkung hat. Aber ich muss gleichzeitig auch immer gucken, dass die Clowns das nicht in ihren Fokus nehmen. Das heißt, dass sie einfach Clowns sind.
Reinhard Horstkotte [00: 09:57]:
Reinhard Horstkotte [00: Also nicht in dem Sinne, dass sie Kunst machen, dass sie Clowns sind. Warum? Weil ich weiß genau, umso mehr sie Clowns sind, umso mehr sie in diesem Zustand sind, der Clown, wie ich den nicht gerade beschrieben habe, desto mehr Impact gibt es auch. Paradoxerweise. Umso weniger sie auf den Impact achten, desto mehr Impact gibt es. Also
Julia Kaffka [00: 10:17]:
Julia Kaffka [00: persönlich nehmen darf man es auch nicht, wahrscheinlich, wenn man einfach jemanden da sitzen hat, der keine richtige Reaktion zeigt.
Reinhard Horstkotte [00: 10:24]:
Reinhard Horstkotte [00: Man darf, man darf alles. Man darf es auch schrecklich persönlich nehmen. Man darf heulen und schreien. Also Aber für den Clown ist es keine Wertung. Schau, wir haben ja mit ganz schlimmen Situationen zu tun. Wir haben mit Sterbenden zu tun. Wir haben mit, jetzt lange, als der Krieg begonnen hat, mit den ganzen Geflüchteten zu tun. Und Es gibt in jedem Menschen einen Punkt, der sich davon zwar berühren lässt, der aber immer in Kontakt steht mit der Freude und mit der Lebendigkeit und mit dem Ja, mit der Liebe, wenn man so will, also mit diesem Gefühl der Zugehörigkeit.
Reinhard Horstkotte [00: 11:04]:
Reinhard Horstkotte [00: Und es kann gleichzeitig ganz schlimme Dinge passieren, wie zum Beispiel der Krieg, wie ein Mensch, der plötzlich eine schlimme Diagnose bekommt, Krebs. Ich bin aber trotzdem immer mit diesem Punkt verbunden. Und diesen Punkt zu kultivieren in eine Kunstfigur ist die Aufgabe von Rote Nasen. Das heißt, dafür machen wir Ausbildung, dafür machen wir Curriculum, dafür schulen wir die Leute. Denn wir wissen, dass das, und jetzt kommen wir zu BKK ZF & Partner, wenn wir wissen, und das hat dann auch die BKK überzeugt, wenn wir wissen, dass das fehlt in unserer Zeit. Also, wenn man sich die Pflegeheime anschaut, wenn man sich die ganze Situation, es ist ja manchmal, wenn man das so hört, kurz vom Kollabieren. Und wir können das nicht ändern. Aber wir können als Rote Nasen, aber wir können ändern, wir können sagen, okay, wie können wir uns in dieser Situation bewegen? Wie können wir sein? Also Wie können wir angesichts zunehmender Krisen in der Welt, wie können wir da sein? Und die Antwort darauf gibt der Clown.
Reinhard Horstkotte [00: 12:10]:
Reinhard Horstkotte [00: Indem er den kleinsten Moment wertschätzt. Indem er die kleinste Blume zu einem sensationalen Ereignis macht. Indem er ganz wenig braucht, glücklich zu sein, lebendig zu sein, sich zu freuen. Und das ist doch eine wichtige Eigenschaft.
Julia Kaffka [00: 12:28]:
Julia Kaffka [00: Absolut, absolut. Jetzt hast du schon erwähnt, dass ihr auch in Einrichtungen unterwegs seid, wo demenzkranke Menschen leben. Welche Erfahrungen hast du denn da im Umgang mit Demenzkranken gemacht?
Reinhard Horstkotte [00: 12:43]:
Reinhard Horstkotte [00: Das ist eine gute Frage. Also die Erfahrung, Die meisten Menschen, die wir im Pflegeheim besuchen, sind dement. Und die meisten Menschen sind nicht mehr wirklich auf dieser Welt. Das heißt, sie reden irgendeinen Unsinn. Ich habe ein Beispiel, ich bin selber auch Angehöriger und bin aber eigentlich auch da immer Clown, kann man sagen, bei meiner Mutter. Meine Mutter ist im Pflegeheim selbst hier in Berlin und die ist seit fünf Jahren wirklich dement. Sie erkennt mich zwar noch, aber sie ist nicht mehr wirklich präsent. Sie weiß nicht, was gestern war, oder sie weiß auch nicht, was vor 2 h passiert ist.
Reinhard Horstkotte [00: 13:27]:
Reinhard Horstkotte [00: Früher war sie noch hohe Richterin in Frankfurt am Main. Sie war Vorsitzende einer großen Strafkammer. Und als sie ins Pflegeheim kam, und sie spielte auch Golf, war sie überzeugt davon, dass das Pflegeheim ein Golfhotel ist. Und ich hatte dann so gedacht, und ich komme gleich, das ist ein bisschen die Antwort jetzt auf deine Frage. Also ich hole ein bisschen auf. Ja, kein Problem. Aus, nicht auf, aus. Also und man denkt dann so, und viele Angehörige, weil auch bei den Leuten, die jetzt zuhören, sind vielleicht viele Menschen, die auch betroffen sind von diesem Thema, meine Angehörigen werden dement.
Reinhard Horstkotte [00: 14:09]:
Reinhard Horstkotte [00: Mein Papa, meine Mama, meine Oma wird dement und und Eine Reaktion ganz oft von jemand, dessen Mutter zum Beispiel dement wird, ist, wenn die Mutter das Pflegeheim für ein Golfhotel hält, das sagt der Mama, Mama, das ist kein Golfhotel, das ist jetzt ein Pflegeheim. Sagt man. Du, Das ist ein Pflegeheim, das musst du verstehen. Warum sagt man das? Weil man möchte gerne, dass die Mama möglichst lang noch hier bleibt, bei mir. Also die möchte gerne, man möchte auch, man hat vielleicht auch Angst, dass sie irgendwann mich nicht mehr erkennt. Und deswegen versucht man, sie möglichst viel mit der Realität, mit meiner Realität zu konfrontieren. Und dann hatte ich in dem Moment, wo sie sagte, das ist ein Golfhotel, die Möglichkeit zu sagen, Mama, das ist kein Golfhotel, das ist ein Pflegeheim. Oder ich hatte die Möglichkeit, wie ein Clown zu reagieren, der sagt, wow, das ist ja cool, ein Golfhotel, lass uns doch jetzt mal eine Runde Golf, lass uns doch mal ein paar Löcher schlagen oder wie man das heißt, ich bin kein Golfspieler.
Reinhard Horstkotte [00: 15:09]:
Reinhard Horstkotte [00: Und sie meine Mutter so, ja, und ich habe mich dann für zweiteres entschieden, habe gesagt, okay, dann gehe ich jetzt mal mit so und sage, okay, das ist ein Golfhotel. Und dann sind wir zusammen, haben wir gesucht und dann waren diese Rollatoren, waren die Wägen, die die Caddies waren und dann sind wir in den Garten gegangen, haben überall die Löcher gesucht und die Leute waren überall, auch Golfspieler, Rezeptionen. Also es war alles Golfhotel und irgendwann, aber irgendwann sagte dann meine Mutter, das ist doch überhaupt kein Golfhotel, sagt sie. Da bin ich so, wie jetzt, sage ich, ist kein Golfhotel. Wieso denn nicht? Es ist doch hier überhaupt keine Golfsachen. Und dann sage ich, ach so, sage ich. Ach so, ah. Was ist denn? Es ist ein Pflegeheim.
Reinhard Horstkotte [00: 15:51]:
Reinhard Horstkotte [00: Und dann kam sie selbst drauf. Das heißt also, wenn ich sie damit konfrontiert hätte, von Anfang an, dann hätte sie sich wahrscheinlich geschämt auch, weil sie gemerkt hätte, dass sie da nicht mehr richtig da ist und etwas in ihr hätte. Aber so war das viel viel schöner und so gehen Clowns eigentlich Also wir haben eine Kollegin von mir hat mal, war im Pflegeheim mit einer anderen Kollegin und da war eine Dame, ganz dement, die ist immer auf und ab gelaufen und hat ihren Mann gesucht. Der Mann war aber schon seit vielen, vielen Jahren gestorben. Und dann hat meine Kollegin die Dame gefragt, die ältere Dame gefragt, ja, Suchst du was? Und dann sagte die Dame, ja, ich suche meinen Mann. Wo ist der denn? Der Herbert. Wo ist der denn? Ach, sagte sie meine Kollegin, soll ich dir suchen helfen? Die wusste schon, dass der Herbert seit zehn Jahren gestorben war. Dann half sie, sie beim Suchen und das war für die, schon allein das war für die Frau großartig, weil da war jemand da, der ihre Realität respektierte.
Reinhard Horstkotte [00: 16:53]:
Reinhard Horstkotte [00: Der merkte, okay, das ist meine Realität. Da bewege ich mich. Und dann suchten sie überall. Und dann hielt meine Kollegin, die Clownin Robert, das Ohr an die Dame, also an das in Höhe des Herzens der Dame und rief enthusiastisch und laut aufgeregt aus, ich habe deinen Mann gefunden und und die Dame rief so leicht, sagte ihr so leicht mürrisch, was sagt er denn? Und dann sagte meine Kollegin, ich soll dich in den Arm nehmen. Und dann nahm sie die Dame in den Arm. Und man merkte dann, dass die Realität plötzlich greifbar und spürbar wurde. Weil die Liebe, die die Dame mit ihrem Ehemann hatte, die war immer noch da. Wer bin ich zu sagen, der Mann ist nicht mehr da? Wer sind wir zu sagen, das ist kein Golfhotel? Das ist genauso ein Golfhotel, wie es ein Pflegeheim ist.
Reinhard Horstkotte [00: 17:46]:
Reinhard Horstkotte [00: Also dann müsste man sagen, das sind Mauern, das sind das. Und natürlich ist es ein Pflegeheim, natürlich ist es kein Golfhotel, aber das ist eben, was der Clown bringt. Der bringt Geschichten, der bringt Geschichten und akzeptiert, dass es noch etwas anderes gibt, wie die Welt, die wir vor uns sehen. Und das akzeptiert er und das lebt er mit den Leuten. Und deswegen ist er für das Pflegeheim so wertvoll, weil die Pflege muss sich so viele andere Sachen kümmern, die so lebensnotwendig sind für die Menschen. Und so haben wir zumindest diese Instanz da, die das feiert und wertschätzt.
Julia Kaffka [00: 18:24]:
Julia Kaffka [00: Ja, da merkt man schon, also man braucht, glaube ich, sehr viel Feingefühl auch als Clown, wenn man da vor Ort ist. Weil man könnte ja jetzt auch ganz hart sagen, ja Mensch, ihr lügt ihr ja an. Ihr sagt ihnen ja gar nicht die Wahrheit. Das ist ja fürchterlich, aber auf der anderen Seite verstehe ich das jetzt so, dass ihr einfach in ihre Welt mit reingeht.
Reinhard Horstkotte [00: 18:43]:
Reinhard Horstkotte [00: Ja, ja.
Julia Kaffka [00: 18:44]:
Julia Kaffka [00: Diese Welt einfach mit annehmt und dann dabei seid
Reinhard Horstkotte [00: 18:46]:
Reinhard Horstkotte [00: und sie nicht losstellt manchmal. Das ist total richtig. Also ich finde das auch eine ziemliche Herausforderung, weil ich habe zum Beispiel lange gebraucht, auch bei meiner Mutter, es war nicht, es ist nicht immer einfach, so wie ich es beschreibe jetzt, wie mit dem Golfhotel. Es ist manchmal natürlich auch schwierig, da einen guten Weg zu finden, wenn man der Mutter sagt, das geht jetzt nicht, weil, weil, weil. Und man erfindet dann etwas, die Situation zu deeskalieren. Und ich glaube, dass man gut daran tut, auch ein bisschen seinen immer wieder zu sagen, es gibt noch eine andere Welt, und der bediene ich mich jetzt. Weil es ist die Welt der Demenz. Ich hab jetzt kein Was könnte ich mal für ein Beispiel nehmen, wenn man so Notlügen findet, damit man...
Reinhard Horstkotte [00: 19:35]:
Reinhard Horstkotte [00: Das machen Eltern ja manchmal auch bei ihren Kindern zum Beispiel. Und man sagt dann, man hat gelogen. Aber ich bin da als Künstler nicht so einverstanden mit, mit diesem Wort Lüge. Weil ähnlich wie bei dem Golfhotel, das hab ich eben schon gesagt, die andere Welt, die wir nicht sehen, die Welt der Fantasie und Imagination, die hat... Wer sagt uns denn, dass die nicht real ist? Wer sagt denn, dass Träume nicht genauso real sind wie das Leben, was wir jetzt sind. Das sagen wir in unserer seit 100 Jahren rational fokussierten Zivilisation. Aber es war ja früher auch schon mal ganz anders. Und ich glaube, der Clown schafft eine Brücke zwischen diesen Welten.
Reinhard Horstkotte [00: 20:17]:
Reinhard Horstkotte [00: Also es ist ja, und ich glaube, das macht den so wertvoll, ganz besonders auch im Pflegeheim. Und ja, man braucht ganz viel Feingefühl und man braucht aber auch eine tiefe Überzeugung und Glaube an die imaginäre Welt.
Julia Kaffka [00: 20:32]:
Julia Kaffka [00: Ja, so lachen ist ja grundsätzlich wichtig. Warum glaubst du persönlich denn, dass lachen wichtig ist und auch im speziellen im Umgang mit Dementkranken? Ja,
Reinhard Horstkotte [00: 20:43]:
Reinhard Horstkotte [00: genau, warum ist das wichtig? Also, Lachen ist ja im Grunde, wenn wir beide lachen zusammen, du und ich, dann ist ja vorher schon was passiert. Also dann hatten wir vorher so ein Gefühl. Also es macht sich so ein Gefühl breit Und das Lachen, mit dem Lachen entlädt sich das dann. Also, es ist ein Gefühl von Lebendigkeit, von Menschsein. Es ist auch immer ein Gefühl von Erkennen. Wir checken irgendwas, wenn wir über uns selbst lachen, dann bekommen wir plötzlich, ist ja auch ein witziger Ausspruch, ich lache über mich selbst, wer lacht denn dann? Also, im Grunde. Wir bekommen plötzlich so einen Abstand zu uns. Vielleicht kann man das so sagen.
Reinhard Horstkotte [00: 21:25]:
Reinhard Horstkotte [00: Man guckt sich selbst zu und plötzlich denkt man, das ist ja so absurd. Ich lache über mich. Und es ist aber gar nicht das Lachen selbst, sondern eigentlich das, was vorher passiert ist. Und das, was vorher passiert ist, ist immens wichtig. Es ist immens wichtig, weil es hat immer mit dem Bejahen der Situation zu tun, mit der ich gerade bin. In dem Moment, wo ich mein Schicksal, erst wenn ich mein Schicksal akzeptiere, egal was mir passiert ist, ob ich auf einer Bananenschale ausgerutscht bin, oder ob ich im Pflegeheim bin und als Pfleger bemerke, dass eine Dame immer wieder oder ein Herr immer wieder die Kapitasse umkippt. Offensichtlich mit Absicht. Und ich hab aber noch das und das und das und muss noch in das und das Zimmer und das und das Zimmer.
Reinhard Horstkotte [00: 22:08]:
Reinhard Horstkotte [00: Wenn es mir nicht gelingt, im Moment das so zu akzeptieren, sondern ich dann dagegen widerstände und das unbedingt anders haben will, sag ich mal, ein Verbissen dann und was ich verstehen kann ganz oft, weil das ist oft ganz schwierig, dann in dem Moment kann ich nicht mehr über mich selbst lachen. In dem Moment ist lachen nicht möglich. Das heißt, Bevor ich irgendwie lache, muss ich erst mal ein liebevolles oder akzeptierendes Gefühl zu dem haben, was mir passiert ist oder was gerade stattfindet. Und ich glaube, das ist das Wichtige. Und ob man dann weint oder lacht, es gibt Bei Dementen, ich war jetzt vorgestern erst bei einem Heim dabei, in einem Pflegeheim, hab zugeschaut bei meinen Kollegen, da war eine Dame, da kamen die Kollegen und die Damen fingen an zu weinen. Und dann erklärten mir die Pfleger, die weint ja, sag ich, warum weint sie so ganz in sich rein. Und danach sagten mir die Pfleger, die weint, weil sie sich freut. Ja, also die weint, weil sie sich freut, sie zu sehen.
Reinhard Horstkotte [00: 23:08]:
Reinhard Horstkotte [00: Die weint vor Rührung und deswegen ist weinen sehr nah beim Lachen. Also nicht immer, aber sehr oft sehr nah beim Lachen. Also und das, das was da passiert ist, macht uns zu Menschen, würde ich sagen. Also das macht uns, was ist dann, wenn wir nicht mehr lachen können zusammen also kinder sind unglaublich also wir waren in diesen flüchtlings zelten als gerade als sie gerade ankamen traumatisiert mit dem wenigen Hab und Gut, was sie mitnehmen konnten in Berlin in den Zelten. Und die Clowns kamen und die Kinder konnten lachen. Also die konnten im Moment lachen und was war denn passiert? Und als die Erwachsenen, die älteren Damen, die Männer waren ja nicht viel dabei, ihre Kinder gesehen haben, konnten auch plötzlich die wieder lachen. Obwohl sie in so einer schrecklichen Situation war.
Julia Kaffka [00: 23:56]:
Julia Kaffka [00: Ja, ich kann mir auch vorstellen, dass das auch Mut einem abverlangt als Clown. Gerade am Anfang, glaube ich, wenn man in so eine Situation kommt, wo die Menschen, ich meine der Betroffene und auch die Angehörigen ja wahrscheinlich auch traurig sind in dem Moment und mit der Situation noch gar nicht umgehen können, da wirklich hinzugehen und witzig zu sein, stelle ich mir schwierig vor. Gerade am Anfang, da muss man seinen Mut schon mal zusammennehmen. Wie reagieren denn die meisten Bewohner oder auch die Angehörigen dann drauf? Also kriegt man da gleich ein gutes Feedback oder hat da auch schon mal einer gesagt, raus hier du Vogel?
Reinhard Horstkotte [00: 24:34]:
Reinhard Horstkotte [00: Ja, auf jeden Fall. Und das ist auch gut so. Also die meisten reagieren sehr, sehr positiv auf uns, weil, also wenn wir jetzt vom Pflegeheim sprechen, Es ist ja erstmal so, dass die meisten sich nach Zuwendung sehnen und nach einem schönen Gefühl, nach einem Lächeln, nach einem Blick, nach einer Ansprache. Und das ist ja, was unsere KünstlerInnen machen. Die kommen in einen Raum und die Leute spüren, wir wollen was Gutes, wir wollen mit ihnen zusammen was Schönes machen. Wir fragen, wir bedienen uns auch von Konventionen, wir loben die schöne Bluse, die die Frau Fischer, die lila Bluse mit den gelben Blüten, die die Frau Fischer und loben, dann freuen die sich schon erst mal. Aber es gibt natürlich auch in der Demenz gerade, gibt es auch einen bestimmten Anteil von Menschen, die sehr aggressiv, sehr oft und sehr viel aggressiv sind. Die wild einen beschimpfen Und das ist eine Emotion, die ist okay.
Reinhard Horstkotte [00: 25:33]:
Reinhard Horstkotte [00: Als Clown kann ich damit leben. Ich kann mich rausschmeißen lassen. Ich kann mich sogar mit Freude rausschmeißen lassen. Weil es einfach auch ein klares Statement ist. Es ist also raus! Es ist auch eine Energie, die man kriegt. Und als ich, als Reinhard, bin so geschult, auch durch die Fortbildung, die ich bekomme, dass ich weiß, dass das nun wirklich, wie du vorhin sagtest, nichts Persönliches ist, sondern dass der Mensch da krank ist und verzweifelt ist und Angst hat und nicht mehr genau wissen will. Und wir hatten mal einmal Eine Bewohnerin, meine Kollegin, die Maria, die ist mal in ein Pflegeheim gekommen. Da war ein...
Reinhard Horstkotte [00: 26:21]:
Reinhard Horstkotte [00: Wir gehen ja immer zu zweit, immer zwei Clowns. Und dann bekommen wir erst mal eine Übergabe, in der wir erfahren, was so los ist auf Station. Und dann gehen wir von Zimmer zu Zimmer oder mal in Gruppenräume. Also es ist nicht wie eine Theatervorstellung. Darf man sich das vorstellen, wo dann alle in einen großen Gruppenraum gekarrt werden, sondern wir fügen uns so in den Alltag ein und bekommen deswegen auch vorher eine Übergabe. Und die Maria bekam dann die Übergabe und dann sprach sie von den Herrn Schubert, der Herr Schubert war, also ist jetzt erfunden, der Name. Der hat alles scheiße, ich sag mal, das hat er wirklich gesagt.
Julia Kaffka [00: 26:55]:
Julia Kaffka [00: Es ist
Reinhard Horstkotte [00: 26:55]:
Reinhard Horstkotte [00: alles scheiße. Und dann ist meine Kollegin dann eben, die Pflegerin hat so ein bisschen gewarnt davor. Also der findet alles scheiße. Und Die waren schon alle auch ganz genervt von dem. Und die wollten eigentlich natürlicherweise auch gar nichts wissen, weil die haben auch irgendwann ihre Grenzen. Irgendwann an Kapazität, an Geduld, sind überlastet. Und dann kriegen sie noch so viel vermeintliche Negativität von Bewohnern, denen sie helfen wollen entgegen. Das ist manchmal, schaffen sie es dann auch nicht mehr und haben dann genug.
Reinhard Horstkotte [00: 27:26]:
Reinhard Horstkotte [00: Das kann man auch verstehen. Und meine Kollegin ist dann eben hingegangen, nachdem sie gewarnt wurde und ist dann in diesen Zimmer gegangen und da war dieser Herr Schubert und sagte, hallo, sollen wir dir ein Lied spielen? Hallo, oder, ist doch scheiße! Und dann sagte er dann Und dann sagte sie, ja stimmt, ist scheiße, sagte sie dann. Und ihre Kollegin sagte, ist scheiße, oder? Und dann sagte ihre Kollegin, ja, ist echt scheiße. Guck mal hier, siehst du das Fenster? Ah, ist scheiße, ne? Guck mal meine Hand, ist scheiße. Ach komm, spiel ein scheiß Lied. Und dann war alles scheiße. Und sie machten, sie zelebrierten die Scheiße total. Und irgendwann konnte der nicht mehr.
Reinhard Horstkotte [00: 28:06]:
Reinhard Horstkotte [00: Der musste lachen. Und dann haben wir wieder dieses Thema. Du kannst erst lachen, wenn du das akzeptierst, deinen Zustand. Und Du kannst es nicht schwer akzeptieren. Der möchte erstmal sehen, dass er so, wie er ist, dass er geliebt wird. Dass er akzeptiert wird. Dass er in diesem fürchterlichen Zustand akzeptiert wird. Und das ist natürlich für die Pflege oft auch eine Zumutung.
Reinhard Horstkotte [00: 28:30]:
Reinhard Horstkotte [00: Man kann nicht alles akzeptieren, das ist schwierig, aber man kann den Moment feiern, das geht. Also das geht. Und man kann auch nicht alles tolerieren, gerade wenn Gewalt passiert, das will ich damit auch nicht sagen. Aber man kann den Moment akzeptieren, also das, was jetzt gerade passiert. Und ich glaube, darum geht es immer. Man hat immer nur diesen einen Moment, das merken wir jetzt gerade, wo uns ständig neue Krisen entgegenkommen.
Julia Kaffka [00: 29:01]:
Julia Kaffka [00: Absolut.
Reinhard Horstkotte [00: 29:02]:
Reinhard Horstkotte [00: Dass wir nur den Moment haben. Also, wir können jetzt schauen, dass wir so gut wie möglich unser Leben leben und das tun, wo wir das Gefühl haben, das ist gut, was ich jetzt gerade mache. Das ist gut, dass wir jetzt hier gerade für diesen Podcast sprechen. Und das ist gut, dass die Leute jetzt gerade zuhören und damit dann irgendwas machen. Oder damit, dass sie das irgendwie inspiriert und vielleicht mal in der U-Bahn oder in der Straßenbahn oder im Einkaufsladen die Kassiererin anlächeln. Oder einfach einen guten Tag sagen, wo die sonst nie guten Tag hat, obwohl sie ganz grimmig guckt und sie einfach so nimmt, wie sie gerade ist. Und dafür ist der Clown ein Sinnbild. Und das ist im Grunde genommen wirklich Arbeit.
Reinhard Horstkotte [00: 29:48]:
Reinhard Horstkotte [00: Aber es ist eine gute Arbeit und eine schöne Arbeit. Und eine Arbeit, die sehr viel mit Spielerischem verbunden ist.
Julia Kaffka [00: 29:56]:
Julia Kaffka [00: Ja, das glaube ich sofort. Gibt es denn aber auch Momente, wo du sagen würdest, Humor ist jetzt nicht angemessen oder kann man eigentlich alles mit Humor lösen?
Reinhard Horstkotte [00: 30:07]:
Reinhard Horstkotte [00: Ja, da müsste man jetzt dann auch schauen, was Humor ist. Ja, also Humor, ich sage immer Humor, was Humus für die Erde ist, Humor für die Seele. Also ich glaube, dass das manchmal nicht so offensichtlich sein kann. Also wenn wir zum Beispiel, wenn jemand im Sterben liegt und da sind ganz viel trauernde Menschen ihn rum und wir werden reingebeten, Dieses Humor im konventionellen Sinn, dass man was Lustiges macht oder dass man lacht, das ist sicherlich nicht immer angemessen. Aber Humor im Sinne von etwas, dass ich immer wieder suche, was es bedeutet, Mensch zu sein. Also was es bedeutet, dass Trauer seinen Platz hat und das, ich finde es schwer zu greifen. Wir haben ja ein ganzes Buch geschrieben über Humor und trotzdem ist es immer wieder schwer Humor zu definieren. Was Humus für die Erde ist, ist Humor für die Seele.
Reinhard Horstkotte [00: 31:07]:
Reinhard Horstkotte [00: Aber natürlich kann man nicht immer lachen, aber man muss das in sich halten die ganze Zeit. Ich sage immer, ich wurde mal gefragt von einer Journalistin, was ist das, was meinen Beruf auszeichnet als Clown. Die hat alle möglichen Berufsgruppen gefragt und sie bat einen Satz. Der Regnant das beschreibt in seiner Tiefe und seiner Vollkommenheit, sag ich mal, jetzt ganz groß. Und ich habe dann wirklich ein paar Tage darüber nachgedacht und habe ihr dann diesen Satz gegeben und das passt eigentlich sehr gut auf ihre Frage oder auf deine Frage. Alles ist wichtig, alles ist wichtig, jeder Moment, alles ist wichtig, Aber nichts ist wirklich ernst. Also wenn ich das sehe, dass jeder Moment wichtig ist, dass auch die schmerzhaften und schwierigen Situationen wichtig sind, aber Ich gleichzeitig so etwas in mir trage, wo ich sage, das ist nicht ernst im Sinne von, es gibt noch ganz viel anderes. Es gibt noch eine große Perspektive.
Reinhard Horstkotte [00: 32:11]:
Reinhard Horstkotte [00: Es gibt noch etwas, was ich jetzt noch gar nicht sehe. Dann lasse ich eine Türe offen für eine andere Wahrnehmung und das bedeutet auch immer Hoffnung. Das bedeutet auch immer Hoffnung für etwas anderes, für etwas Neues. Und natürlich, es gibt so schlimme Schicksale. Ich mache das jetzt seit 20 Jahren und für schwerstkranke Kinder und habe so viel gesehen. Aber da ist immer die Sehnsucht nach Hoffnung. Und auch kein Mensch, dem es schlecht geht, möchte, dass es dir in seiner Gegenwart auch schlecht geht. Er möchte immer, dass du den Humor behältst.
Reinhard Horstkotte [00: 32:52]:
Reinhard Horstkotte [00: Er möchte immer... Stell dir vor, du liegst krank im Bett und dann kommen deine Freundinnen oder Freunde und du merkst denen geht es plötzlich ganz schlecht in deinem Zimmer, weil es dir schlecht geht. Du möchtest doch eigentlich, dass die dich wahrnehmen, deinen Zustand wahrnehmen und auch ein Stück weit vielleicht darauf Rücksicht nehmen und vielleicht ja auch Mitgefühl haben, aber eigentlich möchtest du auch, dass sie sich auch wohlfühlen, dass es ihnen doch gut geht. Und das ist das, alles ist wichtig, du bist wichtig, aber nichts ist wirklich ernst. Also das ist die Bedeutung dessen. Also das heißt nicht, dass man unsensibel ist oder dass man nicht mitfühlend ist. Man ist die ganze Zeit extrem mitfühlen. Aber es heißt, man lässt sich immer eine Türe offen.
Julia Kaffka [00: 33:36]:
Julia Kaffka [00: Wie motiviert man sich denn, wenn man das 20 Jahre macht und mit so viel Leid auch in Kontakt kommt? Was motiviert einen denn da immer weiterzumachen?
Reinhard Horstkotte [00: 33:50]:
Reinhard Horstkotte [00: Jetzt du zum Beispiel, also Menschen mit denen ich sprechen kann, Menschen, die und meine Kollegen, das Miteinander, die Gemeinschaft, dass ich mich mitteilen kann und mich austauschen kann und immer wieder so Geschichten habe, wo ich merke, da ist diese Tore offen gegangen, da hat sich plötzlich so eine andere Wahrnehmung, so ein Perspektivwechsel vollzogen, den es ohne mich nicht gegeben hat. Und das ist natürlich großartig und total sinnvoll. Und ja, klar, die Liebe zur Kunst, die Liebe zum Klauen, die Liebe zu unserem Handwerk, es ist ja, ich rede ja jetzt sehr philosophisch daher die ganze Zeit, Aber es gehört natürlich auch ein wirklich anspruchsvolles Handwerk dazu. Also Clown zu sein ist nicht mal eben so nachgedacht. Es ist sehr körperlich, es hat was mit Musik zu tun, es hat was mit Zauberei zu tun, mit Improvisation. Also Theater-Improvisation ist ein ganz anspruchsvolles Handwerk. Wie macht man das, dass man ein Publikum mitnimmt und dass man Menschen bei der Stange hält, sie zum Lachen bringt? Und wie macht man das in einer Situation, wo ich überhaupt keinen Raum habe dafür, wo da ein Zimmer ist, wo lauter Fotos sind und wo es vielleicht auch noch riecht, sag ich mal, in einem Pflegeheim. Manchmal kommen Gerüche, also wo meine Sinne auch herausgefordert sind.
Reinhard Horstkotte [00: 35:12]:
Reinhard Horstkotte [00: Wie bringe ich da das noch bei? Aber wenn man dann die Erfolge sieht, wenn ich mal mitgehe und die Clowns sehe und merke, wie die Atmosphäre sich ändert, wenn ich sehe, wie unsere, wie die, auch jetzt hier dieses Engagement von der BKK ZF & Partner, das ist motivierend, finde ich. Weil plötzlich etwas, was ich vor 20 Jahren gemacht habe und was nicht denkbar war, wird plötzlich sogar von Krankenkassen unterstützt. Und ja, Menschen interessieren sich. Es scheint eine Sehnsucht auch ein Stück weit die Antwort auf eine Sehnsucht zu sein, die Menschen haben, die nach Sinn suchen, nach mehr Sinnhaftigkeit in ihrem Leben.
Julia Kaffka [00: 35:57]:
Julia Kaffka [00: Ja, absolut. Jetzt habe ich zum Schluss noch Zwei Fragen. Es geht konkrete Tipps. Hast du denn zum Beispiel einen konkreten Tipp, was den Umgang mit demenzkranken Menschen angeht? Man tut sich da ja wahnsinnig schwer, wenn man damit noch nie was zu tun hatte und plötzlich in der Situation ist?
Reinhard Horstkotte [00: 36:17]:
Reinhard Horstkotte [00: Genau, also alles was ich gesagt habe ist schon mal hoffentlich vielleicht so eine so hier das ein oder andere sicher nicht alles, aber vielleicht ist da ein bisschen was dabei, wenn ich gesagt habe akzeptiert, dass das so ist und und versuch den Menschen so zu sehen, meine Mama oder mein Papa, versuche zu verstehen, dass der krank ist. Also dass er, dass das, dass es nicht ein böser Wille ist, wenn er dich vielleicht beschimpft sogar, also wenn das jetzt blöd ist, sondern dass es wie ein Husten, wie eine Krankheit ist. Das muss man verstehen. Ich glaube, wenn man da wirklich sehr drunter leidet, da gibt es inzwischen auch viel Hilfe. Es gibt wirklich auch gute Bücher dazu, Ratgeber für Angehörige, die einem da zur Seite stehen. Und wie schaffe ich das, wenn sie mich nicht gehen lassen will und was kann ich dann machen und und Achtsamkeit, es gibt dann ganz viele Bücher über diese sogenannte Achtsamkeitsbewegung, wo man wirklich erstmal schaut, wie geht es mir eigentlich Und was kann ich mir Gutes tun, damit ich dem anderen was Gutes tun kann? Diese Dinge, da gibt es ganz tolle Bücher, ich weiß, muss man mal, kann man ja mal eingeben. Achtsamkeit, es gibt diesen wunderbaren buddhistischen Lehrer Thich Nhat Hanh, der da sehr viel gemacht hat. Es sind keine buddhistischen, nur nicht nur buddhistische Bücher, sondern wirklich ganz praktische Tipps, wie man Achtsamkeit üben kann, Das sind ganz nützliche Dinge.
Reinhard Horstkotte [00: 37:48]:
Reinhard Horstkotte [00: Und ja, und sich vielleicht an seinen eigenen Clown erinnern auch immer wieder. Was bedeutet das? Wie fühlt sich das an, wenn ich Clown bin? Das heißt nicht, dass jemand Clown werden soll, weil Das ist in der Tat ein richtiges Studium. Aber man hat innerlich doch immer so einen kleinen Clown in sich, der die Dinge ein bisschen leichter nimmt. Der die Dinge des Lebens einfach mit einer anderen Perspektive Der aus einer Banane eine Geige machen kann oder aus einer Wasserflasche ein Baby oder dieses Spielerische, zu spielen mal wieder, das Spielen ernster zu nehmen und nicht einfach die Dinge spielerischer anzugehen und Da irgendwie einen Weg zu finden mit meiner... Was mag denn meine Mutter? Meine Mutter mag zum Beispiel Volleyball immer. Und wenn ich mit dem Ball komme, dann werfe ich ihr den Ball zu. Was mochte denn deine Mutter gerne? Was hat sie geliebt? Gibt es da irgendeinen Ansatz vielleicht? Was sie mochte und was ich mochte? Und dann können wir uns darüber treffen. Und auch den Schmerz anerkennen, der da ist, weil ich meine Mutter eigentlich verloren habe, so wie sie war.
Reinhard Horstkotte [00: 38:55]:
Reinhard Horstkotte [00: Es ist ein Stück weit auch ein... Wenn sie mich dann nicht mehr erkennt, dann war es das. Und dann muss ich auch erst mal anerkennen, dass ich sehr traurig bin. Und da kann man auch nicht helfen, da kann man nur Ja zu sagen. Und wenn ich da Ja zu sage, dann merke ich schon, wie das so ist, wenn man trauert, dass sich dann neue Türen öffnen.
Julia Kaffka [00: 39:17]:
Julia Kaffka [00: Okay, das sind auf jeden Fall gute Tipps. Wenn wir jetzt mal weggehen von der Krankheit, mal in den Alltag gehen, hast du da auch einen Tipp, wie wir vielleicht schwere Situationen, die wir im Alltag bewältigen müssen, vielleicht auch im Job besser und leichter nehmen können mit Humor?
Reinhard Horstkotte [00: 39:40]:
Reinhard Horstkotte [00: Ja, also alles, was ich eben gesagt habe, auch. Ja, also diese Achtsamkeit, das ist gut. Und ich weiß, Wir machen ja auch Humorseminare. Rote Nasen macht ja auch Humorseminare. Für Pflegende und Pfleger. Aber die sind eigentlich für alle gut. Und da gibt es eine schöne Übung. Das nennt man im Neudeutsch Reframing.
Reinhard Horstkotte [00: 40:02]:
Reinhard Horstkotte [00: Und wenn du zum Beispiel meine wegen deine Nachbarn, die sind laut. Und zwar jede Nacht. Und sie lassen, du kannst nicht schlafen. Also die machen einen Lärm oder spielen bis vier Uhr morgens so ein Ballerspiel mit der Playstation und es wummert und wummert und du... Und dann merkst du, das ist echt eine schwierige Situation. Und dann stritzt du mal einen Schritt zur Seite und fragst dich, was könnte gut daran sein?
Julia Kaffka [00: 40:26]:
Julia Kaffka [00: Ja? Mhm.
Reinhard Horstkotte [00: 40:28]:
Reinhard Horstkotte [00: Mhm, genau. Also dann sagst du, okay, fällt mir jetzt nichts ein, was da jetzt gut dran sein soll, dass ich bis 4 Uhr wach sein muss, wo ich doch 7 Uhr morgens aufstehen muss. Und wenn du da aber ein bisschen länger überlegst, dann sagst du, ich sollte vielleicht mal rübergehen. Also Ein Punkt könnte gut daran sein, ich klingel immer bei den Nachbarn und ich gehe mal in Kontakt zu den Nachbarn. Oder es könnte gut daran sein, dass ich, ich habe meiner alten Freundin lange lange keinen Brief mehr geschrieben, dann schreibe ich einen Brief in der Zeit. Es könnte gut daran sein, dass ich plötzlich merke, wie schön es ist, wenn Stille ist und dankbar dafür bin, wenn es ruhig ist. Es könnte gut daran sein, wenn man dann in der Gruppe, wir machen das dann in der Gruppe, und dann kam eine Kollegin und stellte diese Frage, das war wirklich konkret so, Und dann half die Gruppe ihr noch, was könnte gut dran sein. Dann bekommt man plötzlich, das Problem geht dann nicht weg.
Reinhard Horstkotte [00: 41:25]:
Reinhard Horstkotte [00: Also ich kann immer noch nicht schlafen, aber diese ganze Situation verliert dann ein bisschen an Gewicht. Also es bekommt dann noch etwas oder vielleicht verliert es auch noch nicht mal an Gewicht, weil man braucht Schlaf. Aber es kommt noch was anderes dazu.
Julia Kaffka [00: 41:39]:
Julia Kaffka [00: So ein bisschen der Perspektivwechsel.
Reinhard Horstkotte [00: 41:41]:
Reinhard Horstkotte [00: Es ist ein Perspektivwechsel. Ja und das kann man super so machen.
Julia Kaffka [00: 41:47]:
Julia Kaffka [00: Sehr schön. Reinhard, vielen, vielen Dank für die Einblicke in deine Arbeit. Es hat wirklich Spaß gemacht, mit dir zu sprechen, obwohl das so ein hartes Thema ist. Also mit Krankheit und so, aber es hat wirklich, es war ein sehr, sehr schönes Gespräch.
Reinhard Horstkotte [00: 42:00]:
Reinhard Horstkotte [00: Ja, du hast auch gut zugehört, Julia. Dankeschön.
Julia Kaffka [00: 42:04]:
Julia Kaffka [00: Also ich persönlich werde auf jeden Fall den ein oder anderen Tipp im Alltag umsetzen. So viel steht fest.
Reinhard Horstkotte [00: 42:09]:
Reinhard Horstkotte [00: Ja, erzähl mir dann, wie es war.
Julia Kaffka [00: 42:10]:
Julia Kaffka [00: Das mache ich auf jeden Fall. Und wenn ihr nichts mehr von uns verpassen wollt, Abonniert einfach unseren Kanal in eurer Podcast-App. Und bis dahin, bleibt gesund!